Ausstellung des Jean-Honoré Fragonard in der Kunsthalle Karlsruhe.
"Man könnte sagen, die Zeichnungen sind das Tagebuch seiner Imagination."
-Edmond und Jules de Goncourt 1865
Der französische Künstler gehört zu den herausragenden Meistern des 18. Jahrhunderts und ist in Deutschland leider bis heute kaum bekannt.
(Abb.1 ) Le Verrou |
Im Zentrum der Karlsruhe Ausstellung stehen vor allem seine Zeichnungen, ein paar Ölstudien und Gemälde. Mit ungefähr 80 Werken ist die groß genug, um einen deutlichen Einblick in das Handwerk des Künstlers zu gewinnen. Die Szenerie umfasst gesellig-heitere Szenen, Landschaften aber auch große Sinnlichkeit.
Die in Fragonard verankerten Tradition des 17. Jahrhunderts werden deutlich durch die freie Variation und Interpretation des Formen- und Themenrepertoires zu seiner Zeit.
Ermöglicht wurde die Ausstellung dank großzügiger Unterstützungen wie der des Louvre in Paris, der Albertina in Wien, des British Museum in London und der Fundacao Calouste Gulbenkian in Lissabon sowie dank privater Sammler.
Es ist ganz witzig, dass die Ausstellung eines Künstlers des Rokoko, eines Anhängers des absolutistischen Systems in Frankreich ausgerechnet in Karlsruhe stattfindet. Die Fächerstadt wurde nach barocken Idealismen angesetzt und spiegelt den absolutistischen Zentralismus wieder.
Fragonards: Die Schaukel |
Das bekannteste Werk von Fragonard ist wohl "die Schaukel."
Es ist eines der wichtigsten Werke des Rokokos, da man deutlich die Veränderungen zum Barock sehen kann.
Das prüde, nach aussen hin zugeknöpfte Barock mit deinen traditionellen Formen kann mit einer Thematik, die sich um Intimität und Erotik dreht, nur wenig anfangen.
Was an diesem Bild erotisch ist?
Ganz einfach. Die Dame trägt keine Unterwäsche.
(Abb . 2) Rocaille |
Was ist "Rokoko"?
Der Begriff ist abgeleitet vom französischen Wort rocaille = Grotten- oder Muschelwerk, dem besonders beliebten asymmetrischen Muschel- oder s-förmligen Ornamentmotiv. (Abb. 2)
Das Rokoko entsteht als Gegenbewebung zum "autoritären" Stil Ludwigs XIV. und der europäischen Residenzen. Kennzeichen sind die zuvor verpöhnte Intimität, Leichtigkeit, Grazie und aufgehellte Farben ( Pastellmalerei). Ersteres lässt sich vorallem in vielen erotischen Motiven des Rokoko erkennen, die beispielsweise auch Fragonard abgebildet hat. (Abb. 1)
Man könnte Rokoko als die stillere Version des Barocks bezeichnen.
"Der Barock schreit und plakatiert, das Rokoko flüstert und dämpft." - Egon Friedell (1929)
Damit betont Friedell vorallem das Gemeinsame: die Liebe zum "Schnörkel".
Wir kennen alle die typischen barocken Vorstellungen von pompösen Kleidern, aufgebauschten Vorhängen und "überladenen Motiven" während das Rokoko hier genauso verspielt und "kritzelfreudig" ist, so unterscheidet es sich deutlich in der Extravaganz. Die Ideologie und Motive der Bilder ändern sich. Von einer allgemeinen Darstellung eines nur kurzen Lebens gestaltet sich nun mehr das Bild eines neuen, freudigeren Stils. Die Künstler gestaltet mehr und mehr private Szenen und Ensembles, weniger das Handwerk ihres Berufs.
Im Mittelpunkt steht nun nicht mehr die Prachtbauten von Versailles oder Ludwigsburg, sondern das "petite maison", dass weniger mit Luxus, aber dafür mit einer heimeligen Atmosphäre ausgestattet ist.
Das Rokoko ist im Grunde nicht mehr als eine Übergangsphase vom Steifen Barock und den tradierten Formen hin zur gefühlsbetonen, verklärten Romantik. Der Lebensstil der aristokratischen Rokokogesellschaft zeichnet sich daher auch als durch und durch dekadent aus, aber dennoch gefühlsbetont.
"Nur keine Langeweile" ist das Leitmotiv der gesellschaftlichen Aktivitäten und deckt sich somit mit dem barocken Sinn für "Memento Mori" (Bedenke, dass du sterblich bist.) und "Carpe Diem" (Nutze den Tag).
In Zeiten von Pest und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von unter 40 Jahren, kann Ich das deutlich nachvollziehen. Vielleicht fehlt unserer Gesellschaft auch ein kleines bisschen Memento Mori und Carpe Diem. Wir arbeiten den ganzen Tag, mit dem Gedanken an das Alter. Und obwohl Vorsorge immer gut ist, sollte man nie vergessen, dass das Leben kürzer ist, als man vielleicht glaubt. Deshalb, genießt das Leben und schaut euch auf jeden Fall diese Ausstellung an!
Q: Winfred Nerdinger: Perspektiven der Kunst / www.Kunsthalle-karlsruhe.de
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